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04. Die Odyssee

Ein satirische-humorvolles Wildwest-Szenario. Vor einem kleinen, staubigen Barbershop steht ein fröhlicher Mann und schneidet einem Kunden die Haare. Erstellt mit Microsoft Designer.
Olaf Korassøm als Barbier im Wilden Westen. (KI-generiert)

Wieder einmal ist alles so gekommen, wie ich es am wenigsten erwartet hatte. Ich sitze hier schon seit Wochen fest und weiß nicht, wie ich wieder nach Hause komme. Hier ist alles so anders als zu Hause, so gut, vertraut, aber doch so fremd. Es ist eigenartig …

 

Eigentlich wollte ich nach Griechenland, um dort für zwei Wochen Urlaub zu machen. Ich hatte vor, mich endlich wieder richtig ausspannen, doch es kam anders. Drei Tage vor dem geplanten Urlaub war ich von Genf aus mit dem Flugzeug nach Hause unterwegs, nach Oslo. Auf halber Strecke geschah das Unerwartete: Terroristen kaperten das Flugzeug. Sie zwangen den Piloten in Richtung USA abzudrehen. ‚Mit diesem Flohfänger über den großen Teich?‘, dachte ich bei mir, denn es war nur eine kleine Passagiermaschine, die ich gechartert hatte. Als der Pilot meldete, dass uns der Treibstoff ausgehen würde, befanden wir uns nach einem langen Flug durch die Nacht nahe der amerikanischen Küste. Die Tanks gingen schließlich leer und wir stürzten auf die Erde zu. Die Maschine landete taumelnd im mexikanischen Dschungel. Wir Insassen kamen mit einigen blauen Flecken davon, aber glücklich, noch am Leben zu sein.. Woher ich wusste, dass wir in Mexiko waren? Ich bemerkte während des Fluges, dass der Pilot nicht direkt Kurs auf die USA genommen hatte. Ich bin von Beruf Astronom, also konnte ich mich in der Nacht anhand der Sterne orientieren. Der eingeschlagene Kurs wich nur gering vom befohlenen ab, so konnte ich mir denken, dass wir irgendwo in Mexiko landen würden. Doch so plötzlich, wie die Landung dann vonstatten ging, dachte ich es mir eigentlich nicht. Nach dieser Bruchlandung waren die Entführer total wütend auf den Piloten und drohten ihm, die Passagiere als Geiseln zu nehmen, oder sogar umzubringen. Der Kapitän und der Co-Pilot waren die einzigen Leute in der Gruppe, die spanisch sprechen konnten. Deshalb mussten sie die Gespräche führen, falls wir jemanden treffen würden. Mit dem aus dem Flugzeug ausgebauten Kompass schlugen wir uns nordwärts durch den dichten Dschungel. Durch diesen Marsch lernte ich auch die anderen Passagiere näher kennen.

 

Klaus war ein deutscher Bauunternehmer, der mir auf Anhieb sympathisch war. Er leitete einen Großbetrieb, der auf Aufträge aus dem angrenzenden Ausland angewiesen war, da in Deutschland keine große Nachfrage an Hochhäusern bestand. Wir wanderten bis es dämmerte und schlugen dann ein provisorisches Lager auf. Schon in der ersten Nacht überwältigten wir die Terroristen, die wir später mit Lianen an den Bäumen festbanden. Am nächsten Morgen zogen wir weiter mit der Überzeugung, bald eine Siedlung zu erreichen, was uns leider erst am vierten Tag unserer Odyssee im fremden Land gelang. In diesen Tagen ernährten wir uns von Wurzeln, Beeren und Kleintieren. Wir folgten einem Flusslauf, um nicht verdursten zu müssen, und um endlich ein Dorf zu finden. Die Französin Claudine war anfangs sehr zickig, was sich aber schnell legte. Sie wollte zum Beispiel keine Regenwürmer essen, was auch mir schwergefallen war.

 

Als wir dann ein Dorf erreichten, fragten wir gleich nach dem Weg nach Mexiko-City. Die Leute lachten über uns und meinten, wir wüssten wohl nicht, wo wir wären. Was auch stimmte. Bis zur nächsten Stadt, meinte der Polizist, seien es noch etwa fünfzig Kilometer. Da wir zum Glück nur zu zehnt waren, konnte uns ein LKW mitnehmen. Es war die Stadt Villahermosa, in der etwa 300.000 Menschen leben. Die spanischen Kolonialbauten dieser Stadt, wie zum Beispiel die Kirchen, beeindruckten mich sehr. Hier konnten wir endlich Geld wechseln, und per Zug nach Mexiko-City fahren, das etwa achthundert Kilometer entfernt ist.

 

Nachdem sich alle wieder gestärkt hatten, mussten wir noch eine fast zweitägige Zugfahrt über uns ergehen lassen. Am Flughafen stiegen wir aus und unsere Piloten machten sich an die Arbeit, eine neue Maschine zu chartern, die uns nach Europa bringen könnte, was sie auch zustande brachten. Anderntags wollten wir abfliegen. Diese eine Nacht mussten wir noch in einem Hotel verbringen. Morgens besichtigte ich mit Klaus die Stadt, wir fuhren auch nach Teotihuacan hinaus, um uns die Architektur der alten Hochkultur anzusehen.

Leider verpassten wir beide dummerweise den letzten Bus zurück zum Flughafen. Ein freundlicher jüngerer Mann brachte uns bis zum Stadtrand, von wo an wir durch den Dschungel der Großstadt irrten. Dort hatte ich auch Klaus verloren und nun sitze ich hier in einem verdreckten Kaff in New Mexico.

Wie ich hier hergekommen bin? Durch Zufall, eigene Blödheit und einen Zahnarzt.

 

Aus Geldmangel machte ich mich auf eigene Faust auf den Weg. Ich schlug mich mehr schlecht als recht bis an die US-amerikanische Grenze nach El Paso in Texas durch. Von dort aus nahm mich ein Zahnarzt aus Albuquerque mit, der mir die Ohren mit all seinen Fällen in Mexiko vollsülzte. Bald hatte ich die Schnauze voll und stieg mitten in der Prârie aus, um mich allein durchzuschlagen.

Ich richtete mich zwei Tage lang nach der Straße, die nach Nordosten führte, bis ich an zu einer Tankstelle kam. Ein Trucker nahm mich bis in ein kleines Kaff in New Mexico mit, wo er mich rauswarf. Noch heute sitze ich hier fest und spiele den Friseur. Meinen Vorgänger hatte man kurzerhand erhängt, nachdem er dem Sheriff beim Rasieren die Kehle durchgeschnitten hatte.

 

Ich mag das Leben hier. Olaf's Barber Shop habe ich meinen Laden genannt und mache damit auch etwas Geld. Den Job lernte ich schnell, indem ich das Tagebuch vom alten Jack, meinem Vorgänger, gelesen hatte. Ich möchte hier nicht wieder weg, obwohl meine Kinder und meine Frau mich bestimmt vermissen und die Leute von Institut sicher denken, ich sei tot. Jetzt ist mir das alles egal und ich bin froh, dass ich lebe und mein Glück mache, obwohl ich hier im Wilden Westen landete, wo der Westen wirklich noch wild ist.

 

Bis nach Albuquerque sind es etwa 150 Meilen. Doch zu reiten oder zu laufen ist mir zu anstrengend. Olaf Korassøm grüßt den Rest der Welt. Ich lebe noch und bin glücklich.

 

- Ende -

 

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